Technische Textilien in Deutschland: Innovation als Chance
Die deutsche TechTex-Industrie ist den Herausforderungen auch international gewachsen. Das zeigt eine neue Studie der Unternehmensberatung EY und des Sächsischen Textilforschungsinstituts STFI.
„Zum einen sind ihre überwiegend mittelständischen Unternehmen hochinnovativ“, sagt Andreas Bartl, Geschäftsführender des STFI. Zum anderen können sie auf die Kooperation mit 17 Textilforschungs-Instituten zugreifen, um eventuelle Lücken in der eigenen F&E zu schließen. „Außerdem erweist sich gerade die mittelständische Struktur als Stärke, denn mit wenigen großen und vielen kleinen Anwendungsfeldern ist TechTex eine typische Nischenindustrie“ – so formulieren es EY und STFI im Vorwort. Um die Branche zu unterstützen, haben sich die beiden im Dezember 2015 zusammengetan. Die Stärke-/Schwächen-Analyse ist ein erstes Ergebnis dieser Kooperation im Rahmen des Projektes FutureTEX. Sie wurde Ende November erstmals auf der International Textile Conference in Dresden vorgestellt.
Als Ursprung des Erfolgs stellt die Studie Forschung und Entwicklung als Innovationsbasis sowie daraus resultierende Innovationen heraus. Ihre führende internationale Stellung hat die deutsche TechTex-Branche auch durch ihre Vielfalt, die Nähe zum Kunden und die gut ausgebildeten Fachkräfte erreichen können, heißt es weiter. Die hohe Qualität und die „eingebauten“ Problemlösungen machen die technischen Textilien aus Deutschland auch international begehrt. Umgekehrt schränken die hohen Qualitätsanforderungen, die die industrielle Fertigung hochtechnischer Textilien an das Rohmaterial stellt, die Zahl der potentiellen Lieferanten ein. So macht der deutsche Anteil mit 212 Milliarden US-Dollar auch nur vier Prozent am Weltmarkt aus. Damit liegt sie auf Platz 7.
Wachstumspotential bieten vor allem die Automobilindustrie sowie die Weiterentwicklung von Flugzeugen oder der Ausbau alternativer Energien. Aber auch in der Medizin und Architektur wächst die Bedeutung technischer Textilien. Als Chancen stellt EY u.a. den Vorsprung in puncto Nachhaltigkeit und die Wachstumspotentiale heraus. Dabei muss man grundsätzlich das Risiko der langen Entwicklungszyklen sowie die hohen Lohnkosten im Auge behalten.
Die Studie soll aber nicht nur Meinungsbild und Bestandsaufnahme sein, sondern vor allem dazu aufrufen, Veränderungen anzustoßen. FutureTex soll eine Vorreiterrolle als Kompetenzpool mit branchenübergreifender Ausprägung einnehmen, um diese Ziele in den Bereichen TechTex und Textilmaschinenbau zu erreichen. Als solches muss es aktuelle Trends wie die Digitalisierung oder den demografischen Wandel zum Kernthema machen. Die Studie arbeitet insgesamt sieben Handlungsfelder aus, um den Standort Deutschland nachhaltig wieder zu stärken. Dazu gehört u.a. das Etablieren einer Open Source-Plattform als Basis für Innovation und Entrepreneurship ebenso wie der Ausbau bestehender Partnerschaften und die Entwicklung eines Aus- und Weiterbildungskonzepts mit generationsgerechtem Bildungsmarketing.
Christian Leu, Executive Director Strategy bei EY: „Unser gemeinsames Ziel ist der Erhalt einer nachhaltigen Wettbewerbsfähigkeit der TechTex am Standort Deutschland. Jetzt gilt es, die Erfolgsfaktoren weiter konsequent zu nutzen oder besser noch auszubauen.“ Andere Kompetenzpools zeigen, wie erfolgreich man in enger Kooperation sein kann, so der Spitzencluster „MAICarbon“. Hier haben sich München, Augsburg und Ingolstadt zusammengeschlossen, um das Leichtbaupotential carbonfaserverstärkter Kunststoffe (CFK) bis 2020 in die Großserienfähigkeit zu führen. Oder das Projekt „Speed Factory“, für das Adidas mit der Oechsler AG in Ansbach zusammenarbeitet. Dabei handelt es sich um ein Werk zur Herstellung von Sportartikeln in einem automatisierten, dezentralisierten und flexiblen Fertigungsprozess, der die Herstellung komplett individualisierter Schuhen direkt vor Ort möglich macht.