Smart Textiles für Selbständigkeit und Sicherheit im Straßenverkehr
Auf dem 3. Anwenderforum unter Federführung des Institutes für Textil- und Verfahrenstechnik Denkendorf (ITV) sollten wieder Ideen und Visionen „zum Fliegen“ gebracht werden. In Stuttgart und Esslingen informierten sich Industrie und Technik über neue Produkte, Trends und Marktchancen. Fazit: Manche Ideen sind schon weit gereift, andere sind tatsächlich noch eher Visionen. Smart Textiles, das machten die Vorträge einmal mehr deutlich, können in vielerlei Hinsicht in den Bereichen Gesundheit, Mobilität und Sicherheit eingesetzt werden.
Idee von Christian Möllering, enervision, und Hyun-Young Lee vom Institut für Textiltechnik in Aachen ist, bis ins hohe Alter sicher und unabhängig zu wohnen, in Verbindung mit anderen zu bleiben und ältere Bürger in die sich ständig ändernde Arbeitswelt besser zu integrieren. Sie arbeiten beispielsweise an textilen Schnittstellen für die tägliche Interaktion mit Technik. Ziel ist es, diese besonders nutzerfreundlich zu gestalten. Dabei werden die individuellen Anforderungen und Vorlieben der potentiellen Nutzer genau in Augenschein genommen. Wie alt ist die Person, welches Geschlecht hat sie, welchen kulturellen Hintergrund, besitzt sie Technikverständnis? Eine textile Schnittstelle sollte möglichst mehrere Sinne ansprechen. Am besten die Haptik, die Optik und die Akustik gleichzeitig. Die Eingabemöglichkeiten sollen intuitiv bedien- und erlernbar sein, altersunabhängig, vertraut und attraktiv vom Design her. Als Ergebnis haben Praxispartner aus Textilindustrie, Informationstechnik, Produktdesign und Marktforschung ein textiles Touchpad entwickelt. Damit stellen sich an die textilen Schnittflächen aber besondere Herausforderungen. Die Funktion muss zuverlässig sein, es dürfen keine „Befehle“ missverstanden werden. Der Nutzer muss das Pad akzeptieren, die textile Haptik sollte trotz der technologischen Möglichkeiten erhalten bleiben. Erste Muster in Form von Lappen und Kissen liegen bereits vor. Auf welche intuitiven Gesten es reagieren soll und wie die Bedienungselemente angeordnet werden sollten, daran wird weiter geforscht.
Andere Technologien nehmen als dünne Bandsensoren kontinuierlich am Handgelenk den Blutdruck ab oder elektrische Elektroden wirken gegen chronische Schmerzen. Es gibt Kleidungsstücke, die warnen können, wenn Babies keine Luft mehr gekommen, Feuerwehrleute sich im Einsatz überlasten oder LKW-Fahrer müde werden.
Siegfried Rothe von Daimler beispielsweise legte in seinem Vortrag den Fokus auf Notfallassistenz-Systeme. Es seien Algorithmen entwickelt worden, die vor allem physikalische Parameter wie Abstände, Geschwindigkeit, Beschleunigungen, Lenkwinkel als Eingangsgrößen haben und den Fahrer bei seiner Aufgabe das Auto sicher zu lenken unterstützen, warnen und teilweise sogar eingreifen. Darüber hinaus gibt es aber auch Assistenzsysteme, die aufgrund des Fahrerverhaltens auf den Fahrerzustand schließen und dann beispielsweise bei erkannter Müdigkeit den Fahrer zu einer Pause auffordern. Als neuen zukünftigen Ansatz bezeichnete Rothe das Messen und Interpretieren von physiologischen Größen wie Puls , Herzratenvariabilität, Hautleitwiderstand oder Blutsauerstoffgehalt, die über textile Sensoren gesammelt werden und als zusätzlichen Input für Assistenzsysteme genutzt werden können. Wichtig sie hierbei vor allem die Genauigkeit und Verlässlichkeit bzw. auch die Praktikabilität und Akzeptanz solcher Textilien für den Fahrer.
Zum Hintergrund des Anwenderforums Smart Textiles:
Es wurde 2013 vom Forschungskuratorium Textil e.V. in Berlin, vom Institut für Textil- und Verfahrenstechnik Denkendorf und vom Textilforschungsinstitut Thüringen Vogtland e.V. in Greiz ins Leben gerufen, um den Austausch von Industrie und Wissenschaft zu fördern.