Cover Image (Source: Formhand Automation)

Schlaffe Textilien bald im Griff?

In einigen Branchen sind sie längst Standard: Automatisierungs- und Robotersysteme. Sie sollen die Produktion effizienter, flexibler und wirtschaftlicher machen. In der Textil- und Bekleidungsindustrie aber konnten sie sich bisher kaum durchsetzen. Woran liegt‘s?

Laut International Federation of Robotics – dem Weltroboterverband – sollen bis zum Jahr 2020 weltweit über 1,7 Millionen neue Industrieroboter in Fabriken neu zur Arbeit antreten. Damit hätte sich der Bestand von dann über drei Millionen Einheiten innerhalb von sieben Jahren verdoppelt. Automobil-, Verpackungs- oder Lebensmittelindustrie – überall packen die unermüdlichen Gesellen im Verbund mit Automatisierungssystemen mit an. Branchenblätter sprechen von einem regelrechten „Automations-Boom“. In der Textil- und Bekleidungsindustrie indes herrscht noch ein „Automations-Boomchen“. Von einzelnen Ausnahmen abgesehen, haben es Roboter hier bisher noch nicht in nennenswerter Zahl an die Fabrik-Steckdosen geschafft. Seltsam. Denn längst wird auch die textile Wertschöpfungskette mit der großen Industrie-4.0-Lupe daraufhin inspiziert, wo und wie sich Prozesse flexibilisieren, digitalisieren und automatisieren lassen.

Christian Löchte, Geschäftsführer der Formhand Automation GmbH aus Braunschweig, kennt den Grund: „Im Gegensatz zu Bauteilen aus Metall oder Kunststoff sind Textilien schlaff und porös. Herkömmliche Roboter haben deshalb Schwierigkeiten, sie zu greifen“. Eine Autotür oder ein Tetrapak ließen sich besser packen, weiß Löchte, der seit 2011 hochanpassungsfähige Greifer entwickelt. Seine neueste Idee: Die mit Kollegen entwickelte Formhand-Technologie, die bisher vor allem in Fabriken der Autoindustrie und Blechpresswerken anzutreffen ist, auf Textilien zu adaptieren, damit Kollege Robbi künftig auch schlaffe Stoffe greifen und automatisch von A nach B transportieren kann.

Schlaffe Stoffe automatisch transportieren: Der Formhand-Greifer soll künftig Textilien automatisch und somit schneller und effizienter durch die Produktion befördern (Quelle: Formhand Automation)

Schlaffe Stoffe automatisch transportieren: Der Formhand-Greifer soll künftig Textilien automatisch und somit schneller und effizienter durch die Produktion befördern/ Quelle: Formhand Automation

Vakuum + Granulat = Textilien automatisch fest im Griff

Mit diesem Anspruch trifft das Spin-off der TU Braunschweig einen Branchen-Nerv: Dank der Digitalisierung sind Ansätze rund um die individualisierte Herstellung von Bekleidung – Stichwort „Fashion on demand“ – gerade schwer in Mode. Doch um kleinere Stückzahlen oder gar Einzelprodukte wirtschaftlich fertigen zu können, müssen zunächst die Herstellungsprozesse flexibilisiert werden. In Teilen geschieht das schon, aber „eines wird dabei aus unserer Sicht bisher völlig vergessen: die Flexibilisierung der Hardware“, sagt Löchte. Es geht ihm etwa um die Frage: Wie bewegt man ein individuell geschnittenes Hosenbein automatisiert unter die Nähmaschine, damit es dort mit dem anderen vernäht werden kann?

Was simpel klingt, ist in der Praxis hoch kompliziert. Die Formhand-Entwickler nutzen zum Transport des Hosenbeins einen Greifer mit einem formbaren, Granulat-gefüllten Kissen an der Spitze. Ein Luftstrom sorgt dafür, dass an dem Kissen noch der schlaffste Stoff haften bleibt. „Der Luftstrom erzeugt eine sanfte Greifkraft und hält so das Textil“, erläutert Löchte. Künftig soll der Greifer Kleidungsstücke falten, Ausschnitte am Schneidetisch sammeln oder Stoffe in Verarbeitungsmaschinen einlegen.

Schleckermäulchen: Auch Süßigkeiten schnappt sich der der Formhand-Robo automatisch/ Quelle: Formhand Automation

Schleckermäulchen: Auch Süßigkeiten schnappt sich der der Formhand-Robo automatisch/ Quelle: Formhand Automation

Löchte und sein Team präsentieren ihre Innovation erstmals auf der kommenden Texprocess (14.-17. Mai, Frankfurt/Main). Dort sind sie in guter Gesellschaft, denn auf der internationalen Leitmesse für die Bekleidungs- und textilverarbeitende Industrie bildet das automatisierte und kundenindividuelle Verarbeiten von (technischen) Textilien einen Schwerpunkt.

Quelle Titelbild: Formhand Automation

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