Mit Hocker zum Mars

Auf dem Mond waren immerhin schon zwölf Astronauten – auf dem Mars war noch keiner. Trotzdem: Beides bleibt ein Menschheitstraum. Der US-Regisseur Brian de Palma hat sich die „Mission to Mars“ in seinem Science Fiction-Film als einen bemannten Weltraumflug vorgestellt. Das war im Jahr 2000.

Heute weiß man zwar noch einiges mehr über den Mars, doch der bemannte Flug dahin bleibt Vision. Eines der größten Hindernisse ist die Entfernung – alleine der Hinflug dürfte laut US-Weltraumbehörde NASA rund acht Monate betragen. Insgesamt wären Astronauten bis zu drei Jahre unterwegs. Das wäre nicht nur eine psychologische Belastung für den Menschen. Hinzu kommen dann auch die unbekannten Langzeit-Auswirkungen der kosmischen Strahlung.

Trotzdem würde doch jeder gerne mal wissen, wie sich das anfühlt, im All zu sein. Das geht? Ja! Einen Kurztrip ins Weltall kann man seit heute in Halle 6.1 starten. Dort werden nicht nur High-Tech-Textilien und textilverarbeitende Technologien aus der und für die Raumfahrt gezeigt. Das absolute Highlight des interaktiven Bereichs ist eine Reise zum Mars. Hier kann man auf virtuellem Wege erfahren, wie sich das anfühlt. Man kann spüren, was technische Textilien und ihre spezielle Verarbeitung dazu beitragen, dass Astronauten sich im Weltraum bewegen können.

Sie wollen mehr darüber wissen? Mit „Living in Space“ präsentieren die Techtextil, die Europäische Raumfahrtagentur (ESA) und das Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) die Anwendungsvielfalt technischer Textilien in der Raumfahrt.

Außerdem zeigt die „Material Gallery“ textile Produkte und Verarbeitungstechnologien von Techtextil- und Texprocess-Ausstellern. Ultrastarkes und gleichzeitig filigranes Exempel ist ein Hocker aus Karbon. Forscher des Leibniz-Instituts für Polymerforschung (IPF) Dresden haben ihn gemeinsam mit Design-Studenten der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Dresden entwickelt. Er wiegt nur 650 Gramm, kann aber 200 Kilo tragen und demonstriert so das große Potential von Karbon. Sein Geheimnis: Die Karbonfasern sind in bestimmten Richtungen besonders fest und wenn man die Belastungsrichtung vorher genau ausrechnet, kann man die Fasern in der Stickmaschine – in diesem Falle vom Aussteller Tajima – so legen, dass sie bei sehr geringem Materialeinsatz selbst superstabil werden.

Hocker aus Karbon (Quelle: Simanowski / IPF)

Die deutsche Luft- und Raumfahrtindustrie macht laut Angaben des Bundesverbands Luft-und Raumfahrt (BDLI) einen jährlichen Umsatz von 34,7 Milliarden Euro, Tendenz steigend. Mit 12 % Wachstum pro Jahr ist die Luft- und Raumfahrt weltweit einer der Wachstumstreiber für karbonfaserverstärkte Kunststoffe (CFK). In Bauteilen von Raumkapseln und Treibstofftanks eingesetzt reduziert das hitze- und formbeständige Material Gewicht und somit Transportkosten. Faserverbundwerkstoffe kommen zudem in faltbaren Antennen von Kommunikations- und Erdbeobachtungssatelliten mit bis zu 30 Metern Durchmesser zum Einsatz. Und nicht zuletzt besteht ein Astronautenanzug aus zahlreichen Schichten von Hightech-Textilien, die vor Hitze und Strahlung schützen und gleichzeitig die Körpertemperatur des Trägers regulieren.

Eines ist klar: Ohne technische Textilien und deren Verarbeitung ist keine Besiedlung des Weltraums möglich. Und was haben die Menschen davon, die nicht ins All fliegen? Dank ihrer extremen Haltbarkeit und Temperaturbeständigkeit finden einige dieser Materialien ihren Weg in den Alltag. Das gilt besonders für die faserbasierten Materialien der Astronauten-Anzüge, die fürs Hitze- und Feuchtigkeitsmanagement geeignet sind. Heute werden sie in Sportschuhen, für Sportbekleidung und Heimtextilien eingesetzt. Sie haben ihren Weg genommen – quasi vom All in den Alltag.

Kirsten Rein

Über Kirsten Rein

Mehr zu den Autoren

Zeige alle Beiträge von Kirsten Rein

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

*