Industrie 4.0– ein Blick in die Zukunft

Schreckensszenario oder notwendiger Weg für künftigen Erfolg? Menschenleere, smarte Fabriken versus von Fachkräften bestimmte Fertigungsprozesse? Umbruch oder sanfter Übergang? „Industrie 4.0 ist mehr als Evolution denn als Revolution zu verstehen“, sagt Yves Gloy, Adjunct Prof. Dipl.-Ing. vom Institut für Textiltechnik Aachen (ITA). „Technologische Innovationen in industriellen Fertigungsprozessen setzen sich nicht umbruchartig von heute auf morgen durch, sondern in kontinuierlichen Verbesserungsprozessen“, ergänzt Prof. Paul Thomes (Lehr –und Forschungsgebiet Wirtschafts-, Sozial und Technologiegeschichte.

Was bereits passiert ist und noch geschehen kann, diskutierten auf Einladung eines interdisziplinären Forschungsteams der RWTH Aachen Fachleute aus verschiedenen Bereichen von Wirtschaft und Wissenschaft. „Die Stellung der deutschen Textilindustrie ist nach wie vor wichtig“, betonte Prof. Dr. Martina Fromhold-Eisebith (Lehrstuhl Wirtschaftsgeographie, RWTH). Diese traditionsreiche Branche habe bereits viele Technologie-Brüche konstruktiv bewältigen können und sei auch heute noch ein wichtiger Arbeitgeber für rund 65.000 Beschäftigte.

Wirtschaftsgeograph Julian Rohrsen sieht ein Zusammenspiel von Technologieentwicklung bzw. –anwendung und Wirtschaftsraum. Beide Felder beeinflussten sich: Neue Produkte, Produktionsprozesse und Organisationsformen wirkten auf die Struktur des Wirtschaftsraumes ein. Umgekehrt gäben Veränderungen wie neue institutionelle Rahmenbedingungen, Erkenntnisse aus Forschung und Wissenschaft bzw. veränderte Nachfrage für die technologische Entwicklung neue Impulse.

Insgesamt scheint Industrie 4.0 bei der Mehrheit der Textilunternehmen aber noch nicht in der Form angekommen zu sein, wie sich Experten das wünschen. Als Hemmnisse werden bspw. Fachkräftemangel und eine schwache Infrastruktur gesehen. Um erfolgreich zu sein, müssten Unternehmen sich miteinander vernetzen und interdisziplinär zusammenarbeiten. Neue Geschäftsmodelle mit der „Industrie 4.0-Idee“ sollten vorangetrieben werden. Daraus, so die Diskutanten, könnten sich zwei Szenarien für das Jahr 2034 ergeben: Eines basiert auf Offenheit und ständigen Wissensaustausch zwischen den verschiedenen Akteuren, das andere darauf, dass Industrie 4.0 ein Domäne für wenige Player bleibt, die vor allem darum bemüht sind, ihre Eigentumsrechte nur im kleinen Kreis zu teilen.

Vernetzung in Sinne von Industrie 4.0 kann aber nur gelingen, wenn der nötige Wissensaustausch und Technologietransfer umgesetzt wird. Dabei helfen können Unternehmensberatung, Förderprogramme sowie gezielte Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen. Aktuelle bemühten sich darum aber weniger die Unternehmen als vielmehr Förderer und Verbände, so eine Bestandsaufnahme der Gesprächsrunde.

Fokussiert auf das Thema „Mensch-Maschine“ entwickelte eine zweite Gruppe Zukunftsbilder mit zwei Leitideen: „Machine made men“ und „Men made machines“. Im ersten Szenario führt die erfolgreiche Schnittstellenbildung und technische Standardisierung zu einem völlig neuen Produktions- und Gesellschaftsmodell: smarte Fabriken ohne menschliche Arbeitskräfte; Regionalität spielt keine Rolle mehr – die Globalisierung hat bewirkt, dass Wissen und Technologie an jedem Ort der Welt in gleicher Weise verfügbar sind. Im zweiten Szenario nimmt der Mensch weiterhin eine zentrale Rolle im industriellen Fertigungsprozess ein. Regulierung und gezielte Weiterbildung führen zu einer starken deutschen Textilindustrie, die sich durch Nischenprodukte bzw. Produkte mit besonderer Qualität auszeichnet.

Zwei extrem unterschiedliche Szenarien für die deutsche Textilindustrie der Zukunft in 20 Jahren. Während Konsens darüber herrscht, dass die technischen Möglichkeiten für die Textilindustrie bereits heute weitestgehend vorhanden sind, weiß auch von den Experten keiner genau, was Industrie 4.0 zukünftig genau bringen wird.

Bildquelle: InIT Lemgo/wikipedia

Kirsten Rein

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