„Green Fashion“ grün konfektionieren
Das Zauberwort „Nachhaltigkeit“ bewegt die ganze Textil- und Bekleidungsbranche. Moderne Textilmaschinen erzeugen energiesparend und ressourcenschonend Stoffe, die dann zu Bekleidung zugeschnitten, genäht und gebügelt werden. Auch in der Konfektion gibt es zahlreiche Rädchen, an denen für eine „grüne“ Produktion gedreht werden kann.
Das schönste, biologisch und ethisch einwandfrei produzierte Jerseystöffchen wird zu einem modischen Outfit verarbeitet. Dank enormer technologischer Fortschritte können gemäß einer aktuellen Studie des VDMA (Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenhersteller) mit Maschinen deutscher Hersteller in der Spinnerei, Strickerei und Veredlung im Vergleich 2014 zu 2004 28 Prozent der Energie und 33 Prozent des Wassers eingespart werden. Bestnoten für die deutsche Textiltechnik vergibt die weltweit tätige Unternehmensberatung Roland Berger Strategy Consulting.

Das Bonner Label Alma & Lovis, Aussteller der Ethical Fashion Show Berlin, setzt auf verantwortungsvolle Produktionsbedingungen und einen vertrauensvollen und fairen Umgang mit Mensch und Natur. Foto: Alma &Lovis
In der Ebene Textilerzeugung können die ganz großen Schritte gemacht werden. In der nachgelagerten Prozessstufe, der Konfektion, sind die Ansatzpunkte vielfältiger und kleinteiliger. Ein genaues Hinsehen lohnt sich: Zum Einsatz kommen Zuschneideanlagen, Fixierpressen, Bügelanlagen und Nähmaschinen, die oft Dampf, Hitze, Vakuum und Druckluft in rauen Mengen brauchen. Die hier entstehenden Kosten sind, wie zum Beispiel die Personalkosten, Teil der Produktionskosten.
Allerdings gibt es bei den Energiekosten ungehobene Schätze, wie ein aktueller Report vermuten lässt: Seit Dezember 2014 liegt der Abschlussbericht von SESEC (Sustainable Energy Saving for the European Clothing Industry), einem von der EU geförderten Programm, vor. Die zentrale Aussage nach zweieinhalb Jahren Recherche bei europäischen Branchenorganisationen und Bekleidungsunternehmen ist: Auffällig sind mangelnde Information und Fokussierung bezüglich der möglichen Energieeinsparung in der Bekleidungsproduktion. Abhilfe soll die Informationskampagne „Energy Made-to-Measure“ des Dachverbands Euratex, Brüssel (B), bieten, die bis 2016 über 300 Bekleidungsunternehmen, insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), zu Gute kommen soll.
Paradigmenwechsel im Maschinenbau
Grüne Produktion: Wie sieht die Unterstützung durch die Hersteller von Bekleidungsmaschinen und -anlagen aus? Noch vor fünfzehn Jahren übertrumpften sich die Anbieter von Nähmaschinen gegenseitig bezüglich der maximalen Stichzahl pro Minute. Die Schallgrenze der menschlichen Fingerfertigkeit war längst durchbrochen, die Kosten für die nun notwendige Automatisierung des Fügeprozesses stiegen ins Unrealistische angesichts der raschen Produktwechsel und sinkenden Stückzahlen. Abgesehen davon sind Textilien „biegeschlaffe Materialien“ und – anders als Bleche – kaum sinnvoll durch Roboter zu bearbeiten. Bald lautete das Stichwort „flexible Produktion“: Schnelles Rüsten, reproduzierbare Prozessparameter und die Einführung von intuitiv zu bedienenden Design-Programmen standen nun im Vordergrund der Entwicklungen und des Marketings. Nun, da diese Anforderungen erfüllt sind, richtet sich der Blick auf die Ressourcenverwendung.

Die Nachrüstsätze von Veit optimieren die Verbräuche von Bügelmaschinen von Veit sowie auch von anderen Herstellern. Foto: Veit
Neue Motoren für die Nähtechnik
Nähen ist ein zentraler Fertigungsschritt in der Bekleidungskonfektion. In den großen Produktionsstätten stehen oft Hunderte von Nähmaschinen, die typischerweise durch leistungsstarke Servomotoren angetrieben werden. Durch den Einsatz von Seltenerden-Magnet-Rotoren und neuester Prozessortechnologie gelang es dem Entwicklungsteam von Efka Frankl & Kirchner GmbH & Co.KG, Schwetzingen (D), Energieeinsparungen bei Schnellnähern von bis zu 60 Prozent zu erreichen. Als weitere Vorteile nennt Michael Faulhaber, CTO, CMO bei Frankl & Kirchner, die Komplettpakete zum einfachen Austausch der Antriebskomponenten bei bestehendem Maschinenpark sowie die Unempfindlichkeit der neuen CompactServo 600 Antriebe gegen Stromschwankungen – ein gängiges Problem in vielen Regionen mit Bekleidungsproduktion.
Dampfmaschinen für die Mode?
Das Eingangs skizzierte Jersey-Outfit wird viel Dampf brauchen, um richtig gut auszusehen: Fixierpressen, Bügelmaschinen und -geräte werden zum Einsatz kommen. Technisch bedingt besitzen diese Maschinen zwei Dampfkreisläufe, den Heizkreislauf und das Sprühdampf-System. Die Experten bei Veit GmbH, Landsberg am Lech (D), haben den bislang ungeregelten Heizkreislauf untersucht und „erhebliches“ Energieeinsparungspotenzial festgestellt. Ganz abgesehen von der besseren Isolierung der wärmeführenden Komponenten, die zu einer verbesserten Arbeitsumgebung in der Bügelei (3° C geringere Raumtemperatur) führt, kann bis zu 40 Prozent Heizdampf eingespart werden. Auch Veit hat für sein eMotion-System ein Umrüstprogramm für einen vorhandenen Maschinenpark entwickelt. Sascha Oehl, Produktmanager bei Veit, berichtet über die Nachfrage: „Allerdings ist die Zahl der Erstausrüstungen viel höher als die der Nachrüstsätze“. Dem Trend Ersatzbeschaffung statt Nachrüsten folgend hat Veit aktuell die Effizienz durch weitere mechanische Veränderungen konsequent optimiert und die Steuerung auf eine neue Hardware-Plattform integriert.
Von wegen „Luft kostet nichts“!
Wenn die Luft raus ist, geht nichts: Sowohl Zuschneidetische wie auch Nähmaschinen, Pressen und Bügelanlagen funktionieren mit Druckluft oder mit Vakuum. Dreh- und Angelpunkt für die Bereitstellung von Luft ist der Energiepreis. Angesichts der langfristigen Kostenentwicklung für Energie sind clevere Lösungen gefragt bei allen Maschinen und Anlagen. An den Maschinenbau gehen unter anderen diese Fragen: Muss die Druckluft permanent und mit diesem Druck anstehen? Kann das Vakuum nach Bedarf automatisch reguliert werden?
Aber auch bei den Anwendern, wie Rolf Schäfer vom Verband der Nord-Ostdeutschen Textil- und Bekleidungsindustrie e.V. bereits 2011 anlässlich des t+m-Energiesymposiums in Berlin sagte: „Jeder Mitarbeiter an der Maschine müsste verstehen, welche Auswirkungen auf den Energieverbrauch sein persönliches Verhalten habe.“ Dass beispielsweise Druckluft nicht zum Reinigen des Hallenbodens verwendet werden sollte, weil ihre Erzeugung extrem teuer ist, müsse erst kommuniziert und verstanden werden, bevor hier eine Verhaltensänderung einsetzen könne.
Einen optimalen Überblick über alle nachhaltigen Produktionsmethoden bietet natürlich auch die Texprocess.