Färben mit Frucht und Knöterich
Wer schon mal einen Granatapfel entkernt und dabei versehentlich den leckeren Fruchtsaft auf die Kleidung bekommen hat, weiß: Der leuchtend rote Batik-Färbe-Unfall ist verdammt intensiv. Kein Wunder, dass die Frucht in der Welt des Färbens einen großen Namen hat.
„Der Granatapfel wird seit Jahrtausenden als Färbemittel für Bekleidung eingesetzt“, sagt Cornelia Westfehling vom Kölner Modelabel Lanius. So wurden mit Farbstoffen aus Schale und Saft des Granatapfels Kleidung aus Wolle oder Orientteppiche gelb, gelbrot oder dunkelblau gefärbt. Auch zahlreiche Wald- und Wiesenpflanzen kamen zum Einsatz, darunter Holunderbeeren (rot-violett), Brennnessel (grün) oder Preiselbeeren (rosa).
Weil es aus Pflanzen gewonnenen Farbstoffen jedoch schwerfällt, sich dauerhaft an Fasern „festzuhalten“, wurden die zu färbenden Textilien traditionell mit Metallen wie Kupfer, Zinn oder Aluminium vorgebeizt. Neben der Belastung für die Umwelt offenbar auch nichts für zarte Näschen: „Im Mittelalter waren Färber, die die Textilien gebeizt und gefärbt haben, außerhalb der Städte angesiedelt, weil der Geruch unerträglich war“, erklärt Dr. Volker Schröder vom Fachverband der deutschen chemischen Industrie TEGEWA e. V.
Licht, Schweiß, Waschen: Erzfeinde für Textilfarbe
Obwohl im Mief vor der Stadt gefärbt, wanderte die Kleidung danach zumeist direkt in den Kleiderschrank der Oberschicht, denn früher hieß es: Des Kaisers neue Kleider? Sind farbig. Des Volkes neue Kleider? Sind grau. „Bunte, natürlich gefärbte Kleidung war ein Privileg der Reichen, des Adels und des Militärs“, sagt Schröder. Das lag vor allem daran, dass das Färben mit natürlichen Farbextrakten seit jeher enorm aufwendig war. So benötigt nicht nur jede Faser-Art, ob nun Seide, Baumwolle oder Kunstfaser, ihren eigenen Farbstoff, sondern auch das passende Färbeverfahren. Die mit Pflanzen-Farbstoffen eingefärbten blau-roten Felduniformen der Grande Armée Napoleons dürfen da schon als früher Massenmarkt des natürlichen Färbens gelten.
Zu einem echten Massenphänomen wurde das Färben von Textilien erst 1879, als es Forschern der Badischen Anilin- & Soda-Fabrik, besser bekannt als BASF, erstmals gelang, den natürlichen Farbstoff Indigo für breite Zielgruppen vollsynthetisch herzustellen. Ein üblicherweise aus der indischen Indigopflanze gewonnenes Mittel, dessen Spuren sich selbst an Binden ägyptischer Mumien finden. Heute tragen ihn vor allem die Lebenden: künstlicher Indigo steckt in jeder Blue Jeans. Doch warum wird dafür kein Pflanzen-Indigo verwendet? „Farbbrillanz, Waschechtheit und Gleichmäßigkeit der Farbe kriegt man bei großen Mengen nur mit synthetischen Farbstoffen langfristig ins Textil“, sagt Schröder. Zudem hafteten synthetische Farben aufgrund ihrer chemischen Zusammensetzung besser am Stoff. „Sie bluten nicht so schnell aus“, so Schröder, wenn Licht, Schweiß und die Waschmaschine ihnen an den farbigen Kragen wollen.
Natürlich färb ich
Mehr als 100 Milliarden neue Kleidungsstücke wurden laut Greenpeace allein im Jahr 2014 weltweit produziert. Größtenteils chemisch gefärbt, dürften nur wenige dieser Textilien so farblos sein wie die Hosen und Röcke im Mittelalter. Einen klitzekleinen Teil dieser gigantischen, synthetisch gefärbten Menge will Lanius nun auf die Seite des natürlichen Färbens holen. Seit kurzem arbeitet das Modelabel deshalb mit einer Textilfirma aus Südkorea zusammen, deren Name geheim bleiben soll. Deren Forscher haben nach sechs Jahren intensiver Entwicklungsarbeit offenbar den Königsweg gefunden, natürliche Farbextrakte aus Pflanzen auch im großen Stil stabil ins Textil zu bringen. Und wie? „Das Verfahren halten sie geheim – wir durften uns aber ein Bild von den Maschinen machen, die eigens für die industrielle Färbung mit Naturfarbstoffen entwickelt wurden“, sagt Lanius-Mitarbeiterin Westfehling.

Mode aus dem Kochtopf: Lanius-Mitarbeiterin Cornelia Westfehling gab auf der Neonyt (ehemals Ethical Fashion Show Berlin) Anfang Juli Einblicke ins Färben mit Pflanzenfarbe / Quelle: Thomas Niedermüller Getty Images for Messe Frankfurt Exhibition GmbH
Vor allem Betreiber von Green-Fashion-Boutiquen für faire und nachhaltige Mode dürften vom geheimnisvollen Färbeverfahren angetan sein. Aus gutem Grund. Laut Westfehling werde damit bis zu 30 Prozent weniger Energie verbraucht; der Einsatz von Chemikalien entfalle gar gänzlich. Zehn der 100 Lanius-Artikel für die Sommersaison 2019, darunter Tops, Röcke und Jumpsuits, sollen vorerst mit Pflanzen Farbe kriegen: für Rosé sorgt die Krappwurzel; aus dem Trio Kurkuma, Granatapfel und dem Knöterichgewächs Himalaya-Rhabarber entsteht Pearl; und das Urgestein des natürlichen Färbens macht blau: Indigo.
Titelbild Quelle: NordWood Themes on Unsplash
0 Kommentare
1 Ping