Dritte Stufe der digitalen Revolution
Die ersten Computer gab’s bereits vor 75 Jahren. Sie waren der Startschuss für die – in Deutschland lange nicht ernst genommene und vielleicht aktuell immer noch unterschätzte – digitale Revolution. Die zweite Stufe wurde mit der Erfindung des Internets Anfang der 90er Jahre erklommen. Akutell – in der dritten Stufe der digitalen Revolution geht es um die Durchsetzung aller technologischen Errungenschaften. Ziel ist eine digitale Gesellschaft. Allein bis 2018, so die Frankfurter Allgemeine Zeitung, werden bis zu 25 Milliarden Objekte miteinander vernetzt sein. Uhren, Maschinen und Haushaltsgeräte kommunizieren, über vier Milliarden Smartphones generieren immer mehr Daten.
Diese Entwicklung birgt Chancen und Risiken. Den Deutschen ist besonders der Datenschutz ein Anliegen. Einerseits liefern Verhaltensdaten von Nutzern die Basis für praktische Services wie Verkehrsprognosen. Sie können allerdings missbraucht werden, um den Aufenthaltsort einer Person festzustellen.
Deutschland und Europa stehen damit vor einer besonderen Aufgabe. Um Problemen wie Globalisierung, Vertrauen, demokratischer Entwicklung und wirtschaftlicher Nachhaltigkeit auf Dauer mit Erfolg zu begegnen, müssen neue Technologien – häufig unter dem Begriff Industrie 4.0 zusammengefasst – vorangetrieben werden. Die IT-Branche ist der Innovationstreiber auf dem Weg Industrie 4.0 oder d!economy. Das zeigt sich auch in der Zahl der Arbeitsplätze: in den vergangenen Jahren sind 100.000 neue Jobs entstanden. Und die Branche sucht händeringend nach Fachkräften. Zurzeit fehlen in Deutschland rund 40.000 IT-Spezialisten, so die FAZ. Und zwar in allen Bereichen. Während in der Gesamtwirtschaft vor allem Anwendungsbetreuer gesucht würden, fehlten in Industrie-Unternehmen in erster Linie Softwareentwickler.
Laut Prof. Dieter Kempf vom Bundesverband der Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. rechnen zwei Drittel der Unternehmen damit, dass die Digitalisierung des Arbeitswelt zu einem beschleunigten Wachstum führt, das nicht auf Kosten von Arbeitsplätzen geht. Bei allem bleibt die Bedrohung für IT-Systeme. Unternehmen müssen bestimmte Standards einhalten, um die Sicherheit der Infrastruktur zu gewährleisten. Cyberangriffe beispielsweise auf Sony Pictures haben gezeigt, dass solche Attacken immer möglich sind.
Es ist besonders wichtig, die Balance zwischen Minderung des Bedrohungsrisikos in verschlüsseltem Datenverkehr, der Gewährleistung der Netzwerk-Performance und der Einhaltung von Datenschutzbestimmungen zu finden. Nicht nur die Bundesregierung hat Ende 2014 das IT-Sicherheitsgesetz entworfen, das Organisationen detaillierte Richtlinien vorgibt. Auch die Europäische Agentur für Netz- und Informationssicherheit (ENISA) hilft Unternehmen, industriespezifische Sicherheitsrisiken und –konsequenzen besser einzuschätzen. Auch andere Regierungen konzipieren weltweit Gesetze, damit Angriffen nicht möglicherweise das Leben von Millionen Menschen beeinträchtigt.
Fachleute und Beobachter des digitalen Wandels in der deutschen und europäischen Industrie sehen Vor- und Nachteile im „wohlüberlegten, aber zögerlichen“ Voranschreiten. In einem Handelsblatt-Spezial „Digitale Revolution – der deutsche Weg“ sagt Heinz-Paul Bonn, Bitcom-Vizepräsident und Beirat im Bundesverband Deutsche Start-ups: „Immer messen wir uns mit dem Silicon Valley. Dabei sind wir alle ein bisschen Silicon Valley, wenn man uns lässt.“ Um Industrie 4.0 voranzubringen, hat er ein Mentorenprogramm ins Leben gerufen, damit Start-ups und der Mittelstand sich zusammentun und ihre Kräfte bündeln. Erste Projekte würden zeigen, was Digitalisierung ist. „Digitalisierung ist sehr dynamisch“, sagt Thomas Spitzenpfeil, Finanzchef bei Carl Zeiss. „Sind die Projekte einmal da, ist es einfacher, im Personal die grundsätzliche Einstellung dazu zu verändern.“ So hat Zeiss eine Virtual-Reality-Brille erfunden, die in ein Handy geschoben und als Display genutzt werden kann.
Deutsche Unternehmen sollten sich nicht zu lange mit Grundsatzprinzipien kämpfen, sondern sich dem Tempo der IT-Industrie annähern, findet das Handelsblatt. Mittlerweile sind Apple und Google nämlich schon dabei, Autos zu erfinden. Die deutsche Politik, Verbände und Firmen sollten sich nicht in Initiativen und Plattformen für Industrie 4.0 verheddern und versuchen, für alles Standards zu setzen. Denn auch hier drohen die USA schlagkräftiger zu sein. Erst vor einem Jahr wurde das Industrial Internet Consortium (IIC) gegründet. Es war eigentlich eine späte Antwort von Konzernen wie Cisco und IBM auf die deutsche 4.0 Initiative. Doch nun entwickelt das es eine enorme Zugkraft und hat mittlerweile 143 Mitglieder – darunter auch deutsche Unternehmen wie Bosch, Siemens und SAP.