Die neuen Southeast-Asia-Sourcing Hotspots
Für die Beschaffung von Textil- und Bekleidungsartikeln führt seit langen kaum ein Weg an China vorbei. Das Land ist die Nummer eins der Beschaffungsländer für Textilien und Bekleidung in Europa. Veränderungen sind jedoch nicht zu übersehen: Die textilen Gesamteinfuhren in die Europäische Union sinken kontinuierlich. Während 2010 noch 41 Prozent aller Textilien und Bekleidungsartikel für die EU aus China kamen, waren es in 2013 nur noch 35 Prozent. Was sind die Alternativen? Ein Gastbeitrag von Birgit Jussen. China wurde vom einstigen Low-Cost-Land zu einem Markt mit hohem Technologiestandard. Dies bedingt eine entsprechende Steigerung der Lohn- und Produktionskosten und führt somit zu den genannten Rückgängen, die weiter anhalten werden. Der Kostendruck ist also groß, da immer noch viele Unternehmen die Entscheidung für oder gegen einen Beschaffungsmarkt von den jeweiligen landesüblichen Lohnkosten abhängig machen. Somit öffnen sich ständig neue Märkte. Das Texprocess Forum wird auch aktuelle Trends in der Beschaffung thematisieren.
Sicher ist, dass auch zukünftig China eine wichtige Bedeutung für die Beschaffung behalten wird, denn kein neuer Markt bietet derartige Kapazitäten wie China. Dennoch beeinflusst neben den oben genannten Gründen auch der Rückgang der Bevölkerung, dass die Globalisierung der Märkte weiter voranschreitet und u. a. diverse asiatische Nachbarstaaten für die Beschaffung von gewissen Teilmengen bzw. Produktgruppen mehr und mehr an Bedeutung gewinnen.
Bangladesch, eines der Länder mit dem weltweit niedrigsten Lohnniveau, hat sich bereits nach China den Platz zwei der Beschaffungsländer für Textilien und Bekleidung für Europa erkämpft. Damit hat der asiatische Staat 2012 erstmals die Türkei, die zuvor auf diesem Treppchen stand, überholt und sich in der Branche voll etabliert. Dass jedoch Bangladesch nicht zuletzt aufgrund der Vorkommnisse wie dem Einsturz von Rana Plaza, der über 1.000 Tote forderte, einem starken Druck ausgesetzt ist, ist unumstritten. Diverse Verbesserungsmaßnahmen, wie das Accord of Fire and Building Safety, wurden ergriffen und die ersten positiven Auswirkungen in Bezug auf die Arbeitsbedingungen zeigen sich langsam. Hinsichtlich der Qualität der gelieferten Waren sind in den letzten Jahren auch deutliche Fortschritte zu erkennen. Die Qualifikation der Lieferanten nimmt mehr und mehr zu. Das bedingt jedoch auch in diesem Land einen Anstieg der Produktionskosten. Die Beschaffungskarawane zieht somit weiter und neue Märkte in unmittelbarer Nähe, wie z. B. Kambodscha und Myanmar erschließen sich.
Kambodscha zählt zu den Ländern mit den niedrigsten Löhnen weltweit und wird von der Textil- und Bekleidungsbranche als Beschaffungsmarkt mehr und mehr in Augenschein genommen. Nicht zuletzt auch von den Chinesen, die in Produktionsstätten in Kambodscha investieren, um auf indirektem Weg, ihre Vormachtstellung in der Branche nicht zu verlieren. Das Textilgewerbe ist der Wirtschaftszweig des Landes mit den höchsten Wachstumszahlen und auch bei den Exporten mit einem Anteil von über 70 % führend. Laut dem Portal „Zeit Online“ lassen Unternehmen wie Adidas, Puma, H&M, Gap, Lewis, Nike und Wal Mart bereits in Kambodscha fertigen. Gründe dafür sind unter anderem in der Investitionsbereitschaft Chinas und somit in dem Know-How-Transfern sowie dem zollfreien Export nach USA zu sehen. Großteile der Geschäfte werden über Agenturen abgewickelt. Diese bilden sinnvolle Brücken zwischen dem Beschaffer und dem Produzenten. Dort tätige Internationale Textilproduzenten setzten sich für faire Löhne und sozialverträgliche Arbeitsbedingungen ein.
Kein anderes Land in Südostasien arbeitet zu noch niedrigeren Löhnen wie Myanmar. In dem südostasiatischen Nachbarstaat von China und Bangladesch herrschte 48 Jahre lang eine Militärdiktatur. Das Land war stark isoliert und litt unter strengen EU-Sanktionen. Seitdem die internationalen Handelsblockaden ab 2010 immer mehr gelockert wurden, entwickelt sich die Bekleidungsindustrie Myanmars zu einem treibenden Wirtschaftszweig und gewinnt auch international nachweislich an Bedeutung. Großkunden, wie das US-amerikanische Unternehmen GAP lassen dort bereits fertigen. Weitere werden folgen. Auch für deutsche Beschaffer nimmt das Land an Bedeutung zu. Laut Angaben von German Trade & Invest wurde im Jahre 2013 Bekleidung für 47 Mio. Euro von Myanmar nach Deutschland importiert. Damit wurde ein Plus von 20 % zum Vorjahr erzielt. Vom Gesamtexport in der Höhe von 56 Mio. Euro aus Myanmar beträgt der Anteil an Bekleidung knapp 84 %. Auch auf die gesamte EU bezogen bildet der Import von Bekleidung mit einem Einfuhrwert von 131 Mio. Euro (+17% zum Vorjahr) und einem Anteil von 59 % die größte Gruppe. Myanmar enthält ebenso wie Kambodscha Investitionen sowie Technologie- und Know-How-Transfer aus dem Ausland. Dies lässt erwarten, dass die Ausbildung der Fachkräfte voranschreitet und in die derzeit noch lückenhafte Stromversorgung und Infrastruktur investiert wird.
Die Liste weiterer Beispiele für neue Beschaffungsmärkte lässt sich noch durch diverse Länder im asiatischen Raum ergänzen. Zu erwähnen sei auch Vietnam, das durch die französische Kolonialherrschaft im 19. Jahrhundert europäisch geprägt ist und dort daher gewisse kulturelle Barrieren geringer sind als in anderen asiatischen Ländern. In Vietnam wächst die Produktion von Denim und Outdoor-Artikeln kontinuierlich. Südkoreas Textil- und Bekleidungsindustrie hingegen ist aufgrund der hohen technischen Affinität des Landes geprägt von funktioneller Bekleidung, wie Sportartikeln. Auch Indien und Pakistan dürfen nicht unerwähnt bleiben. Diese Länder zählen neben China zu den asiatischen Baumwoll-Anbauländern, was auch für die Entscheidung, dort Textilen und Bekleidung zu fertigen, eine wichtige Rolle spielt.
Neben asiatischen Ländern wächst auch die Bekleidungsindustrie in Afrika. Afrika verzeichnet ein hohes Wirtschaftswachstum und nicht zuletzt das Bevölkerungswachstum wirken sich auf die Entwicklung der Textil- und Bekleidungsbranche zum Beispiel in Äthiopien positiv aus. Erst kürlich veröffentliche der Außenwirtschaftsdienst GTAI eine Studie, die klar zeigt: Äthiopien hat Chancen, sich in den kommenden Jahren als ein neues internationales Zentrum der Textil-, Bekleidungs- und Lederproduktion zu etablieren.