Der Haut schonend begegnen
„Die Hose kratzt!“ oder „Die Bluse mit dem starren Kragen ist unangenehm!“. Als Kind ist man besonders empfindlich – manche Kleidung will man einfach nicht anziehen. Doch nicht nur für Kinder ist scheuernde Kleidung ein Problem, sondern auch für Menschen mit Hautkrankheiten. Keiner mag’s, wenn die Kleidung reibt und die Haut gereizt reagiert. Dem haben sich Forscher des Hohenstein Instituts angenommen. Sie haben eine digitale Methode zur dreidimensionalen Oberflächenanalyse von Textilien entwickelt, die direkt mit der Haut in Kontakt kommen.

Dreidimensionale Analyse der Marko- und Mikrotextur (Profilometrie)
Foto: Hohenstein Institute
Für die topografische Analyse verwenden die Forscher ein modernes 3D-Digitalmikroskop. Es besteht aus zwei Komponenten: einem optischen Apparat und einem digitalen Einsatz u.a. mit Kamera und PC. Solche Mikroskope werden bislang hauptsächlich zur Qualitätskontrolle in der Elektro- und Metallindustrie eingesetzt. „In unserer Anwendung ermöglicht das 3D-Digitalmikroskop einerseits die Feinanalyse der Textiloberflächenstruktur, von der Mikro- bis zur Makrotextur. Andererseits gibt die Analysemethode Hinweise auf das Kontakt- und Reibeverhalten eines Stoffes auf der menschlichen Haut. Dies geschieht genau dann, wenn die textile Fläche vertikal zur Hautoberfläche komprimiert wird“, erklärt Sandra Reich, Leiterin des Projektes. Somit kann man Berechnungen anstellen, welche Textilstrukturen (Fasern/Garnanteile) bei zunehmendem Kontakt die Haut berühren und wie hoch diese Anteile sind.
„Diese 3D-Profilmetrie ermöglicht eine schnelle 3D-Oberflächenanalyse von Textilien. Das ist besonders für die Entwicklung von oberflächenoptimierten Textilien von Vorteil“, so Reich. Warum sich bestimmte Textilkonstruktionen anders als andere verhalten – manche also scheuern, andere nicht – hängt von vielen Faktoren ab: Ist es ein Gestrick (z.B. T-Shirt) oder ein gewebtes Hemd? Welche Materialien werden für die Fasern und Garne eingesetzt? Um was für Fasern handelt es sich (Stapelfaser, Filament oder Texturierung)? Welche Konstruktion liegt zugrunde? Wie ist sie veredelt?
Interessant ist diese Analyse für alle hautnahen Textilien, die üblicherweise starke oder längere mechanische Hautbelastungen auf den Träger ausüben. Das zum Beispiel beim Sport, bei Schutzkleidung oder der Verwendung von Orthesen, Prothesen oder Strümpfen der Fall. „Studien zufolge gewinnen oberflächenoptimierte Textilentwicklungen an Bedeutung, weil immer mehr Menschen unter überempfindlicher Haut leiden“, fügt Reich hinzu.
Die Anwendung wird gerade innerhalb eines Forschungsprojektes entwickelt und getestet. „Viele Unternehmen bekunden bereits jetzt Interesse“, sagt Reich. Zukünftig lassen sich so vielleicht bald auch Interaktionsstudien zwischen Haut und Textil erstellen und Kapillareffekte (Flüssigkeits- und Geruchsverteilung) erforschen und ermitteln.