3D-CAD wird erwachsen
„Seit es 3D gibt, verändert sich die Art und Weise, wie Mode entworfen, entwickelt und produziert werden kann. Die Technik kann zur Digitalisierung einer Branche im Wert von $ 1,3 Billionen führen und damit einen enormen Wert schaffen, denn die Unternehmen werden dadurch schneller, arbeiten nachhaltiger und werden freier für innovative Kreationen“ (Optitex)
3D-CAD ist zweifellos der nächste große Fortschritt für die Textilverarbeitungsbranche in einer Welt, in der kurze Markteinführungszeiten, Kostensenkungen und die Abschaffung von Resten im Fokus stehen.
Heutzutage ist dies zwar in der Luftverkehrs-, Kfz-, Möbel- und Schuhbranche üblich, doch in der Bekleidungsindustrie ist die Entwicklung langsam und komplex verlaufen, hauptsächlich wegen des Drapier- und Dehnverhaltens der Stoffe, das sich nicht nur zwischen den verschiedenen Stofftypen und Konstruktionen deutlich unterscheidet, sondern auch in der Web- oder Strickrichtung innerhalb des Stücks. Die Bewegung des Stoffs am Körper muss ebenfalls bedacht werden, und man muss in der Lage sein zu sehen, wie ein virtuelles Design passt und sich an einem virtuellen Mannequin oder einer Figur bei der Bewegung in einer virtuellen Realität verhält, sei es auf dem Laufsteg oder, wenn es um Sportbekleidung geht, bei der Ausübung der Sportart.
Eine vollständige virtuelle Kollektion kann in allen Größen sowie in unterschiedlichen Stoffen und Farben produziert werden, bevor auch nur ein Stück Stoff geschnitten wurde. Es können effiziente Sortimentsbesprechungen stattfinden, bei denen die Teilnehmer in verschiedenen Kontinenten über das Internet zusammenarbeiten, ohne dass je ein echtes Stoffmuster erstellt worden wäre. Wenn man digitales Druckdesign in das 3D-CAD-System integriert, kann man nicht nur das aus diesem Stoff hergestellte virtuelle Kleidungsstück sehen, man kann die Materialgestaltung und Platzierung für jede Größe anpassen. Die virtuelle Anpassung verschiedener Outfits an virtuellen in-House-Modellen macht die Anpassung von Produktionsmustern weniger nötig bis überflüssig.
Derzeit enden offensichtlich 25-40% aller Online-Verkäufe in Retouren, wobei es meistens heißt, dass das Kleidungsstück nicht passt. Wenn die Verbraucher ihre eigenen wichtigsten Maße eingeben können und im Online-Katalog genau sehen können, wie jedes Kleidungsstück an ihrem eigenen „Körper“ sitzt, gibt es weniger Retouren und damit auch weniger Kosten, während gleichzeitig sowohl das Vertrauen der Verbraucher als auch die Umsätze steigen.
Das direkte Entwerfen in 3D löst die Erstellung von Mustern in 2D und deren virtuelles Zusammenfügen ab, dass bislang dazu diente eine 3D-Vorschau zu erzeugen.
Es scheint keine Zukunftsmusik zu sein, dass irgendwann die direkte Gestaltung an einem 3D-Avatar, mit Platzierung der Stoffmuster und Designgestaltung, eine automatische 2D-Mustererstellung direkt von diesem 3D-Design ermöglichen wird. Mit automatischem Gradieren könnte man dann direkt zu den virtuellen Größenanpassungen gehen. Kalkulation und Digitaldruck, nur bei Bedarf, sowie Zuschnitt, könnten ebenfalls automatisiert und alle Informationen direkt mit dem Steuersystem des Unternehmens verbunden werden. Vielleicht wird die Bekleidungsproduktion, wie wir sie kennen, in der Zukunft sogar durch den 3D-Druck ersetzt?
3D-CAD ist heute ein ernstzunehmendes Hilfsmittel mit einer Vielzahl von Einsatzbereichen, z.B. virtuelle Anproben, Passform, Vertriebskataloge, Online-Vertrieb, virtuelle Laufstege, Kollektionsplanung und noch vieles mehr, doch die Auswirkungen der Technik werden in Zukunft noch größer sein.
Die neuesten 3D-CAD-Entwicklungen werden auf der Texprocess gezeigt, die über vier Tage vom 9. bis 12. Mai 2017 auf dem Messegelände in Frankfurt am Main stattfindet. Eine Gelegenheit, die sich die Branche nicht entgehen lassen kann.
Autorin: Niki Tait